Improvisation (Auszug Seite 77 bis 83) “Am Anfang stand die Improvisation” - Yehudi Menuin Sprache Wenn man Musik und Sprache (in Worten) einander gegenüberstellt, so lassen sich viele Gemeinsamkeiten entdecken. Bei einer Unterhaltung z.B. wird man je nach Gesprächspartner und Situation mehr oder weniger spontan Worte und Ausdruck wählen, um die eigene Absicht zu äußern oder auf die mehr oder weniger unvorhersehbaren Impulse und Worte des Gegenübers zu reagieren. Ist man sich dessen bewusst, so kann man noch während der Unterhaltung überlegen welche Themen eventuell zu besprechen wären, mit welchem Ausdruck man der anderen Person begegnen kann, möchte, sollte, darf oder einfach nur so wie es die Situation gerade ermöglicht oder erfordert. Ob das Gespräch dann für beide Gesprächspartner zufriedenstellend verläuft, hängt noch von vielen weiteren Faktoren ab, die entweder bekannt/bewusst oder unbekannt/unbewusst sind.
Gegenstand in musiklischen Improvisationen sind aber nicht nur spontane Kreation von Geräusch, Klang, Ton, Melodie und Rhythmus, sondern - wie auch in der Sprache – gleichzeitig immer der Ausdruck persönlicher Erfahrungen und Vorstellungen sowie den damit verknüpften Emotionen. Diese Tatsache macht sich auch die Musiktherapie zu Nutze: Hier haben Klienten die Gelgegenheit 'Unsagbares' und 'verstummte' Gefühle mit der Stimme oder einem Instrument ihrer Wahl aktiv improvisierend erklingen zu lassen oder rezeptiv (wahrnehmend) in einen Selbsterfahrungsprozess zu kommen. Über diesen Weg kann Erleichterung, mehr Klarheit und Differenzierbarkeit für das eigene Empfinden erlangt werden. Und mehr noch: Musiktherapie kann hinter offen gelegten Emotionen (z.B. ein mezzoforte = Aggression?/ Innere Unruhe?/ Verzewiflung? ... oder gar jeweils das Gegenteil davon?) das Bewusstwerden darunter liegender 'verdeckter' Gefühle (z.B. Aggression als Ausdruck Innerer Leere/ oder der Einsamkeit ...) fördern und deren Veränderbarkeit im Rahmen von Improvisationen erfahrbar machen. Im gesprochenen sowie im musikalsichen Dialog, ob therapeutischer Art oder bei einem Jazzkonzert auf der Bühne - immer werden Emotionen transportiert. Mal findet dabei ein echter Austausch statt und mal sieht es vielleicht so aus, als würde der Musizierende sein Instrument zwar virtuos aber doch nur technisch bedienen und jegliche Emotion vermissen lassen, mal sieht es so aus als würde er (oft unbewusst) versuchen sie zu verstecken, mal wirkt es so als wären sie gespielt oder eben so echt und autentisch wie sie auch nur sein könnten. Fragt man den Improvisateur selbst, was er zuvor bei seiner Improvisation gefühlt hat, so sind seine Worte, um dies zu beschreiben ebenfalls wieder von Gefühlen, Stimmungen und einer Atmosphäre begleitet, die nicht exact denen während der Improvisation gleichen können. Wie auch immer, Emotionen – egal in welchem Zusammenhang – scheinen stets eine Rolle, auf der Bühne der Improvisation und des Lebens zu spielen. Setzen wir die Überlegung voraus, dass keine Handlung genau zweimal wiederholt werden kann (siehe Ausführungen im Kapitel "Einleitung - Selbstständiges Lernen durch Nachahmung?"), so ist es selbst bei wiederholtem Spiel eines bereits einstudierten Stückes, quasi unmöglich nicht auch hierbei Neues hervorzubringen bzw. improvisierend aktiv zu sein. Viele Musiker, oft solche mit klassischer Ausbildung, vermeiden dennoch das Thema Improvisation. "Das ist nicht mein Ding" heißt es oft, und glauben damit die Sache abgetan zu haben. Das ist vollkommen in Ordnung – einerseits. Es wäre überheblich zu behaupten, Musiker könnten nicht erfolgreich und zufrieden sein, wenn sie nicht improvisierten. Andererseits ist es insofern schade, wenn die Entscheidung nicht zu improvisieren keiner freien Wahl zugrunde liegt. Vieleicht klingt in dem nichttun oder nichtzulassen von Improvisation ungelebtes Leben an. Vielleicht besteht auch insgeheim Angst und Unsicherheit, bedingt durch eine mögliche Aufgabe von Autorität und Expertentum, bei einer gleichzeitigen Sehnsucht sich frei und ohne Vorgaben mit dem Instrument ausdrücken zu können. Die größte Blockade aber liegt oftmals nicht in der Tatsache, ob jemand das 'Improvisations-Gen' – also die angeborene oder nichtererbte Fähigkeit zu improvisieren hat oder eine entsprechende Ausbildung genießen konnte, sondern in der Idee oder dem Anspruch, den jemand davon hat, was es heißt zu improivsieren.
Was ist Improvisation? Das Wort Improvisation symbolisiert auf abstrakte Weise einen erfahrbaren Zusammenhang. Wurde dieser Zusammenhang noch nicht bewusst erfahren, so wird es umso schwerer Klarheit zu schaffen. Greifen wir also auf etwas zurück, dass jeder und jedem bekannt sein dürfte: Etwas zu machen, ohne es vorher geplant zu haben. Damit lässt sich das Thema Improvisation selbstverständlich nicht umfassend definieren. Es bleiben viele Fragen offen: Worin liegt die Bedeutung von Spontaneität in einer Improvisation? Ist eine Improvisation mit 'Licks' auch improvisiert? Wie zeigt sich Kreativität in einer Improvisation? Findet Improvisation auch schon unabsichtlich statt? ... Aber wir haben hiermit schon mal eine Idee, die es gilt mit musikalsichen Taten zu beleben, anstatt sich philosophisch darüber auszutauschen (s. dazu Kapitel 'Einführung' und 'Methode') oder alles festzulegen, das eigentlich das Gegenteil von dem ist, was eine Improvisation bewirken will. Dimensionen Je nach Setting (Einzel- oder Gruppengefüge) und Absicht für die Improvisation, kommen unterschiedliche Dimensionen und Themen zum vorschein: a) therapeutisch: tiefenpsychologische Ursachen für emotionale Empfindungen. Widerstände zeigen sich, Abwehrmechanismen werden erkannt oder verdrängt b) politisch: Disskutieren, Abstimmen über Improvisationsregeln, Meinungsaustausch -sozialpsychologisch: Sharing und Feedback werden gegeben c) spirituell: Hochgefühle, Synchronizität, Meditation ... (Vgl. Aufsatz "Dimensionen der Gruppenimprovisation", von Hartmut Kapteina) d) pädagogisch: Improvisation als Mittel zur Fremd- und Selbsterziehung im musikalisch kreativen Kontext. Musik- und Feldenkrais-Pädagogin Corinna Eikmeier beschreibt das Phänomen der Improvisation wie folgt: "Weder in der Improvisation noch in der Feldenkraismethode existieren Definitionen für 'richtig' und 'falsch'. Der Feldenkraislehrer regt die Schüler an, ihre eigenen Gewohnheiten zu beobachten und auf spielerische Weise alternative Möglichkeiten zu erforschen. Dadurch wird ein wertreies Erforschen möglich. Ähnlich wie beim Improvisieren entspricht der Lernprozess in der Feldenkrais Methode einer Forschungsreise, deren Ausgang dem Lernenden im allgemeinen nicht vorher bekannt ist. Das Unvorhersehbare hält somit Einzug in den Lernprozess (...) Improvisierende Musiker müssen in hohem Maße in jedem Moment auch auf der körperlichen Ebene bereit sein, auf das Unvorhersehbare in der Gegenwart zu reagieren. Sie produzieren Klang durch Bewegung und Atmung im beständigen Wissen, dass sie im nächsten Moment zu Veränderungen bereit sein müssen." (Feldenkrais Forum 93, 2016, "Körperliche und musikalische Impulse", von Cornna Eikmeier und Martina Reichelt)
Improvisation – pädagogische Aspekte "Relativ einfache musikalische Zusammenhänge können schon durch Probieren und durch Zufall entdeckt werden. Es ist dann eher so, dass man bei den Noten landet als von ihnen auszugehen, genauso wie man sprechen lernt ohne vorher lesen und schreiben zu können: Schon ein zweijähriges Kind, das vor sich hinsummt, noch keine Lieder kennt und nichts von der Existenz von 'Musik' weiß, musiziert, und das Instrument, mit dem es musiziert ist es selber." (Heinrich Jacoby - Seite 330)
... eine vertrauensvolle Beziehung der Schüler untereinander und der Schüler zum Lehrer: Jede musikalsiche Äußerung wird gewürdigt, gegenseitige Verurteilungen und Kränkungen werden nicht zugelassen und ggf. thematisiert (s. Kapitel "Regeln im Unterricht") ... das Bewusstmachen improvisierten Verhaltens im Rahmen alltäglicher und musikalischer Erlebnisse, ... die Einladung klanglichen Möglichkeiten und Phantasien im Unterricht und zuhause mit einfachsten Mitteln (Stimme, Gegenstand, Gitarre ... ) nachzugehen, ihnen Ausdruck und Gestalt zu verleihen. ... eine schrittweise mit steigender Komplexität bedachte Heranführung an fortgeschrittene Techniken der Improvisation (z.B. das Beachten von gemeinsam aufgestellten Regeln ...) je nach Lerntempo im Einzel- oder Gruppengefüge.
Mit einfachen Spielregeln und Rahmenbedingungen werden Orientierungshilfen für ein Spiel ohne Noten geschaffen. Regeln werden hier als bewusst gewählte Handlungsräume oder 'Einschränkungen' verstanden, um der Kreativität, der Spontaneität und dem musikalischen Ausdruck Raum zu geben. Finden Improvisationsspiele in Gruppen statt, so erfordert dies ein besonders hohes Maß an Aufmerksamkeit und Kommunikationsbereitschaft jedes einzelnen Spielers. Dadurch jedoch, dass die Konzentration nicht gebündelt wird, um in erster Linie richtige Töne zu erzeugen, wird statt dessen das musikalische Reaktionsvermögen der Mitspieler gefordert. Der Schwerpunkt verlagert sich somit auf das Hör- und Schwingungsempfinden und auf musikalisch inhaltliche Aspekte. Es kommt darauf an schnell und kreativ auf ständig wechselnde musikalische Situationen zu reagieren – ein Aspekt, der übrigens auch bei reproduzierter Musik von Bedeutung ist: Man stelle sich nur einen Musiker vor, der sein im kleinen Kämmerleien mühsehlig Note für Note einstudiertes Stück nun auf einer großen Bühne (oder auch jeden Tag auf einer anderen Bühne) vor einem unbekannten Publikum spielt. Hier ist die Reaktionsbereitschaft des Musikers auf geänderte äußere Umstände gefragt. Mit ausreichender Erfahrung und Mut zum Unbekannten (Publikum, evtl. der Konzertsaal, andere Mitspieler, nicht ausreichend geübte Stellen oder gar Stücke ...) und der Bereitschaft im Notfall zu improvisieren, kann ein musikalischer Vortrag an Musikalität und Lebendigkeit hinzugewinnen.
Vier grundlegende und effektive Improvisationsübungen für den Gitarrenunterricht mit Anfängern
a) ... auch als interessante und spannungsreiche Töne erlebt werden können, um die gewohnte Bewertung durch 'falsch' und 'richtig' mal beiseite zu lassen. b) ... als Übergangstöne brauchbar sind. Dadurch entstehen zum Beispiel jazzige Phrasen kinderleicht.
Improvisation nach vorgegebenen Rhythmuspattern (z.B. Viertel, Viertel, Achtel-Achtel, Viertel) / "Fuß-Noten-Improvisation" (z.B.: Fuß, Fuß, Note, Fußnote - s.u.) (mit Zeichen erläutern: Dreiecke und einfache Striche ... Beispielrhythmen kreieren ...) ... Improvisationskonzepte und Improvisationskonzerte Freudige und spannende Momente mit Improvisationen im Unterricht haben in mir und in meinen Schülern den Wunsch erweckt diese Erlebnisse mit anderen zu teilen. Die Überlegung war: "Wenn es möglich wäre, auch andere Menschen solche spontanen musikalischen Ereignisse vorzuführen oder besser daran teilzuhaben, wäre das etwas ganz Besonderes! Warum also nicht auch auf der Bühne improvisieren?" Kurzerhand wurden Improvisationskonzerte der Gitarrenklassen des Autors in der Musikschule geplant und veranstalltet. In "Geplant und veranstalltet" scheint ein Widerspruch zur Idee des Improvisierens zu liegen. "Ja aber ..."
(In eigenen Worten zusammengefasst:)
2) Wird nicht nur eine, sondern werden alle Improvisationen der Gruppenmitglieder nach einer gleichen Vorlage untereinander verglichen, so zeigt sich anstelle einer Einengung eine Vielfalt musikalisch improvisierter Erlebnisse und Qualitäten. Vorlagen können darüber hinaus auch als Initialfunke, als Ausgangspunkt für musikalsiche Reaktionen verstanden werden.
Lehrerhandbuch Seite 83 bis 110: Es folgen Konzepte und Strukturvorschläge, die für den improvisierenden Gitarrenunterricht und zur Vorbereitung auf ein Improvisationskonzert genutzt werden können:
Bei den meisten Improvisationsübungen, die im Folgenden beschrieben werden, können Schüler, die nicht gerade an der Reihe sind (solistisch) zu improivsieren, eine begleitende Funktion auf unterschiedliche Art und Weise übernehmen. Gerne suchen Schüler, die an der Reihe sind zu improvisieren, sich Ihre Mitspieler selbst aus und verteilen Aufgaben wie: Hintergrundgeräusche, Klatschen, Gitarrenperkussion (s.u.), Leersaitenbegleitung (Grundtöne, Terzen oder Quinten) usw., insofern diese bekannt sind bzw. bereits im Unterricht erprobt und geübt wurden. Natürlich können auch zwei oder mehrere Spieler gleichzeitig improvisieren. Auch das vier-, sechs-, oder achthändige Spiel auf einer Gitarre kann freudige und spannende Improvisaitonen bewirken. ... © Copyright Claus Krogmann, 2008 - 2017 Scolopender Gitarrenschule |